RNah Dorfladen - Geschichte
Die Geschichte des RNah Dorfladens ist eine erfolgreiche Geschichte bürgerschaftlichen Engagements und gemeinschaftlicher Problemlösung in Rössing.
Chronologische Entwicklung
2012: Der Anfang der Krise
31. Januar 2012: Der letzte Lebensmittelladen in der Kirchstraße 10 schließt seine Türen. Rössing steht vor dem Problem der mangelnden Nahversorgung - nur noch eine Bäckerei-Filiale und eine Metzgerei bleiben als lokale Versorgung bestehen.
März 2012: Tita Baronin von Rössing, die Ortsbürgermeisterin, entwickelt die Idee eines genossenschaftlich organisierten Dorfladens. Sie beginnt damit, die Dorfbewohner von diesem innovativen Projekt zu überzeugen.
2013: Vorbereitung und Planung
25. Oktober 2013: Abschluss des Gesellschaftervertrags mit einem Stammkapital von 25.000 EUR.
Herbst 2013: Beginn der Renovierungsarbeiten am historischen Standort Kirchstraße 10. Um wirtschaftlich zu arbeiten, werden auch gebrauchte Materialien verwendet, was jedoch zu Verzögerungen bei den ursprünglich geplanten Fertigstellungsterminen führt.
2014: Gründungsphase und Eröffnung
Frühjahr 2014: Gründung der GmbH als rechtliche Grundlage für den Dorfladen. Die Dorfbewohner werden zu Gesellschaftern durch Zahlung eines Mindestbeitrags von 100 EUR pro Anteil.
Besonderheit der Finanzierungsstruktur: Die Anteile werden treuhänderisch durch einen Treugeberbeirat verwaltet. Diese Struktur wird gewählt, um die gemeinschaftliche Verwaltung zu ermöglichen und gleichzeitig rechtliche Klarheit zu schaffen. Sie bietet zudem konkrete Vorteile wie eine reduzierte Verwaltungsbelastung für die Gesellschafter, Schutz der Anonymität der Anteilseigner sowie eine vereinfachte und transparente Governance-Struktur.
2014: Erfolgreiche Eröffnung
16. Mai 2014: Offizielle Eröffnung des RNah Dorfladens. Der Name “RNah” kombiniert geschickt “R” für Rössing mit “nah” für Nahversorger.
Die Finanzierungsstruktur: Warum Treugeber statt Nachrangdarlehen?
Eine der interessantesten Fragen zur RNah-Finanzierung ist die Entscheidung für ein Treugeber-Modell anstelle von Nachrangdarlehen.
Das Treugeber-Modell bei RNah
Struktur:
- Dorfbewohner erwerben Anteile ab 100 EUR
- Anteile werden treuhänderisch verwaltet durch den Treugeberbeirat
- Keine direkten Einträge ins Handelsregister für jeden Anteilseigner
- Kollektive Verwaltung der Gesellschafterrechte
Vorteile gegenüber Nachrangdarlehen
1. Rechtliche Stellung:
- Treugeber: Eigenkapitalähnliche Beteiligung mit Mitspracherechten
- Nachrangdarlehen: Reine Darlehensbeziehung ohne Mitbestimmung
2. Insolvenzrisiko:
- Treugeber: Risiko entspricht einer Eigenkapitalbeteiligung
- Nachrangdarlehen: Extrem hohes Ausfallrisiko, da erst nach allen anderen Gläubigern bedient
3. Gemeinschaftlicher Aspekt:
- Treugeber-Modell: Ermöglicht kollektive Entscheidungsfindung durch den Treugeberbeirat
- Nachrangdarlehen: Individuelle Gläubiger-Schuldner-Beziehung ohne Gemeinschaftsgefühl
4. Verwaltungsaufwand:
- Treugeber: Vereinfachte Verwaltung durch Treugeberbeirat
- Nachrangdarlehen: Individuelle Darlehensverträge mit jedem Geldgeber
5. Flexibilität:
- Treugeber: Möglichkeit zur flexiblen Anpassung der Geschäftspolitik durch Gesellschafterbeschlüsse
- Nachrangdarlehen: Starre Vertragsbedingungen ohne Anpassungsmöglichkeit
Warum diese Lösung für RNah ideal war
Das Treugeber-Modell passte perfekt zur Vision eines gemeinschaftsgetragenen Dorfladens:
- Demokratische Teilhabe: Alle Anteilseigner können über den Treugeberbeirat mitbestimmen
- Gemeinschaftsgefühl: Echte Beteiligung am Unternehmen, nicht nur Kreditgeber-Rolle
- Niedrige Einstiegshürde: 100 EUR Mindestbeitrag ermöglicht breite Beteiligung
- Rechtssicherheit: GmbH-Struktur mit professioneller treuhänderischer Verwaltung
- Nachhaltigkeit: Eigenkapitalähnliche Struktur stärkt die Bilanz langfristig
Herausforderungen und Lösungen
Herausforderungen
- Finanzierung: Aufbringung des notwendigen Kapitals für Renovierung, Ausstattung und Startkapital
- Ehrenamt: Gewinnung ausreichender freiwilliger Helfer für den langfristigen Betrieb
- Rechtliche Struktur: Entwicklung eines praktikablen Modells für Gemeinschaftsbeteiligung
- Standort: Renovierung eines historischen, aber renovierungsbedürftigen Gebäudes
Lösungsansätze
- Gemeinschaftliche Finanzierung: Breite Beteiligung der Dorfbevölkerung durch niedrige Mindestbeiträge
- Treuhänderische Verwaltung: Professionelle, aber gemeinschaftliche Verwaltungsstruktur
- Freiwilligenarbeit: Kontinuierliches Engagement in verschiedenen Bereichen
- Kostenbewusstes Renovieren: Einsatz gebrauchter Materialien zur Kostenreduzierung
Der Erfolg
Seit der Eröffnung 2014 hat sich RNah als stabiler und wichtiger Teil der Dorfgemeinschaft etabliert:
- Kontinuierliche Öffnungszeiten: Montag bis Samstag morgens, montags bis freitags auch nachmittags
- Breites Sortiment: Deckung der wichtigsten Bedürfnisse der Dorfbevölkerung
- Sozialer Treffpunkt: Wichtiger Ort für Begegnungen und Austausch
- Wirtschaftliche Stabilität: Erfolgreicher Betrieb durch Kombination aus professioneller Führung und ehrenamtlichem Engagement
Bedeutung als Modellprojekt
RNah Rössing zeigt, dass genossenschaftliche Dorfläden mit innovativen Finanzierungsmodellen erfolgreich sein können. Die Wahl des Treugeber-Modells statt Nachrangdarlehen war dabei ein entscheidender Erfolgsfaktor, der echte Gemeinschaftsbeteiligung ermöglichte und gleichzeitig rechtliche Sicherheit schuf.
Das Projekt beweist: Mit Bürgersinn, Innovation und der richtigen rechtlichen Struktur können Dorfgemeinschaften ihre Nahversorgung selbst in die Hand nehmen und dabei sozialen Zusammenhalt stärken.
Quellen und weiterführende Informationen: